Von Dr. Anke Rees
Der große Fachwerkhof ist das letzte Relikt des Dorfes Othmarschen. Sieben Bauernhöfe dieser Art hat es Anfang des 18. Jahrhunderts gegeben. Das Zweiständerhaus mit seinem markanten Giebel wurde 1759 von Hinrich und Anna Röper errichtet und befindet sich seitdem in Familienbesitz. In den über 250 Jahren hat es zahlreiche Versuche gegeben, den Röperhof verschwinden zu lassen. 1935 planten die Nationalsozialisten an dieser Stelle die Rampen zu einer gigantischen Elbbrücke. 1938 wollten sie deshalb das Gebäude versetzen. 1942 und 1943 verfehlten Bomben das Bauwerk um wenige Meter. Schließlich entging es knapp der Enteignung durch die Stadt Hamburg, die Platz für den Autobahnbau und den Elbtunnel schaffen wollte. Der Röperhof steht unter Denkmalschutz und wurde in den 1980er Jahren behutsam saniert.
An der Stelle des Röperhofs stand bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein Bauernhof. Die Familie Röper übernahm ihn ein Jahrhundert später. 1759 brannte das Gebäude durch Brandstiftung von dänischen Soldaten ab. Hinrich Röper baute es mit seiner zweiten Frau Anna Wientaper wieder auf – das heute noch erhaltene Bauwerk. Es besteht aus einem Lang- und einem Querhaus mit einer Gesamtlänge von 34,7 Metern. Die Außenwände sind mit Backsteinen in Fischgrätmuster ausgemauert. Im Querhaus, in dessen Erdgeschoss sich heute ein Restaurant befindet, waren die Wohn- und Schlafzimmer untergebracht. Sie hatten für damalige Verhältnisse hohe Decken, was die Einrichtung der Gastwirtschaft in der vormals „guten Stube“ später erst möglich gemacht hat. Die repräsentativen Räume hatten Deckenmalereien und Holzkassetten an den Wänden. Am Hausbalken über der großen Giebeltür ist neben dem Jahr des Richtfestes und den Namen Heinrich Röper und Anna Wientapers ihr Wahlspruch zu lesen: „Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut“.
Der Hof wurde von mehreren Generationen der Familie Röper bewirtschaftet. Hinrich Röper hatte seinem Schwiegervater den Hof, den Vorläufer des heutigen Röperhofs, abgekauft, als er 1736 Gesche Ramcke heiratete. Seine Frau starb nach 13 Jahren Ehe. Mit seiner zweiten Frau, Anna Wientaper, errichtete er nach einem Brand das bis heute erhaltene Gebäude. 1795 übernahm es ihr Sohn Wilhelm mit seiner Frau Rebecca. 1842 ging der Hof an dessen Sohn Johann und seine Frau Elisabeth Groth über. 1895 übernahm ihn deren Sohn Wilhelm mit seiner Frau Magdalena Schröder. Seine ledigen Schwestern Elisabeth, Helene und Anna zogen in das Tantenhaus, wie das Wohnhaus neben dem Hauptgebäude genannt wurde. Wilhelms Sohn Johann war der letzte Landwirt, der mit seiner Frau Lucie zusammen auf dem Röperhof sein Auskommen fand. Er starb 1955, seine Frau 1976. Seitdem wurde der Röperhof nicht mehr von der Familie bewohnt.
Zum Bauernhof gehörten ursprünglich mehrere Wirtschafts- und Wohnhäuser sowie große Weide- und Ackerflächen. Die beiden wichtigsten Gebäude waren das Altenteil und das so genannte Tantenhaus. Das Altenteil wurde 1839 errichtet und war – wie das Haupthaus – ein reetgedeckter Fachwerkbau. Es wurde „Kothengebäude“ genannt und stand an der Ecke Holmbrook. Nachdem es 1943 durch Bomben beschädigt worden war, baute Johann Röper es 1950 aufgrund der großen Wohnungsnot wieder auf und vermietete die Räume. 1969 wurde den Mietern von der Stadt Hamburg überraschend gekündigt. Das Gebäude sollte für eine Straßenbaumaßnahme abgerissen werden. Die Familie Röper wurde enteignet und bekam eine geringe Abfindung. Das Tantenhaus ergänzte erst 1930 das bestehende Ensemble. Es befand sich westlich des Haupthauses und wurde 1942 durch Bomben zerstört.
In der Zeit zwischen 1939 und 1944 wäre der Röperhof fast für die monströsen Baupläne der „Führerstadt Hamburg“ geopfert worden. Adolf Hitler hatte vor, mit dem „Architekten des Elbufers“, Konstanty Gutschow, und der Hamburger Baubehörde eine gigantische Hängebrücke über die Elbe zu bauen. Sie sollte eindrucksvoller als die Golden Gate Bridge in San Francisco und Deutschlands „Tor zur Welt“, wie er es nannte, werden. Er pries sie mit ihrer geplanten Spannweite von über 700 Metern und Pylonen von 160 Meter Höhe als das „größte Brückenbauwerk Europas“. Achtspurig sollte sie ausgebaut, Teil eines Verkehrsrings um das Stadtgebiet und an die neue Reichsautobahn angebunden werden. An der Stelle des alten Dorfkerns von Othmarschen, im Umkreis der Liebermannstraße, war eine doppelspurige Auffahrrampe geplant. Der Röperhof stand im Weg. Gegen einen Abriss sprach der Denkmalschutz, der seit 1932 bestand. So diskutierte man darüber, ob er unter den 80 Meter hohen Stützen der Rampe stehen bleiben oder in ein Freilichtmuseum umgesetzt werden sollte.
Den Plänen für die Elbhochbrücke wäre nicht nur der ländliche Dorfkern Othmarschens zum Opfer gefallen. Auch Oevelgönne wäre aufgegeben worden, denn auf Höhe der Häuser Nummer 31 bis 42 hätte der nördliche Brückenpfeiler mit einer Grundfläche von 160 mal 66 Metern gestanden. Die anschließenden Grundstücke waren für den Bauplatz verplant. Die Stadt Hamburg forderte die Anwohnenden auf, ihr die Grundstücke zu verkaufen. Zuständig war das neu geschaffene Brückenamt in der Altonaer Großen Bergstraße 266. Auf Höhe der Hausnummer 106 wurde ein Senkkasten als Modell des Brückenpfeilers im Maßstab 1:10 errichtet, um die Tragfähigkeit des Untergrunds zu prüfen. Das Ergebnis fiel ernüchternd aus: Der Elbboden hätte dem Gewicht der gigantischen Hängebrücke nicht standgehalten. Trotzdem wurde bis 1944 an den Plänen festgehalten. Erst der Verlauf des Krieges machte sie zunichte.
Nach dem Krieg wurde die Idee von der Elbquerung wieder aufgenommen. Doch anstatt einer Brücke wurde ein Tunnel gebaut. Er sollte Teil der „Westumgehung“ Hamburgs sein, ein Abschnitt der Autobahn A7. 1968 begannen die Vorbereitungen. Gebaut wurde in drei Verfahren: die Enden in offener Bauweise, das Stück unter Land mit Schildvortrieb, und für das Stück unter Wasser wurden Tunnelelemente eingeschwommen. Bevor der Neue Elbtunnel am 10. Januar 1975 für den Verkehr freigegeben wurde, fand zur Eröffnung ein „Tunnelmarsch“ statt: Am zweiten Weihnachtstag 1974 spazierten 600.000 Menschen unter der Elbe nach Waltershof. Der Autor Heinz Schewe schrieb: „Ich kam mir vor wie in einem Badezimmer. Links gekachelt, rechts gekachelt. Für mich ein ganz neues Badezimmergefühl! Ich liebe große Badezimmer. Dieses hier, im Elbtunnel, ist 3,3 Kilometer lang!“ In Othmarschen waren nicht alle so euphorisch. Für den Bau hatte man den alten Ortskern zerstört. Zahlreiche Häuser waren abgebrochen worden. Der Röperhof überstand auch diese Zeit unbeschädigt: Er wurde abgestützt, während unmittelbar neben ihm die Baugrube für die Tunneleinfahrt ausgehoben wurde.
Die Straße, in der sich der Röperhof befindet, hieß früher „Othmarscher Kirchenweg“. 1970/71 wurde sie umbenannt in „Agathe-Lasch-Weg“. Damit ehrt die Stadt eine bedeutende Wissenschaftlerin: Agathe Lasch (1879-1942) war die erste Professorin der Universität Hamburg und die erste im Fach Germanistik in Deutschland. Sie wuchs in Berlin auf und studierte in Halle und Heidelberg, wo sie 1909 promovierte. 1919 habilitierte sie sich an der Universität Hamburg und bekam dort eine Stelle als Professorin. Aufgrund ihres jüdischen Glaubens wurde sie 1934 ihres Instituts verwiesen, durfte keine Bibliotheken mehr betreten und bekam Veröffentlichungsverbot. Schließlich beschlagnahmten die Nationalsozialisten auch ihre private Bibliothek. Im August 1942 wurde Agathe Lasch nach Riga deportiert und nach ihrer Ankunft ermordet. Für sie gibt es einen „Stolperstein“ an ihrem letzten Hamburger Wohnort, Gustav-Leo-Straße 9 in Eppendorf, und einen zweiten an ihrer beruflichen Wirkungsstätte, vor dem Hauptgebäude der Universität in der Edmund-Siemers-Allee 1.
Mit den Jahren nahm der Verkehr derart zu, dass die drei Röhren des Neuen Elbtunnels mit ihren sechs Spuren nicht mehr ausreichten. Es kam zu langen Staus, vor allem in der Ferienzeit. 1993 beschloss der Senat den Ausbau einer vierten Röhre. Dafür kam die bis dahin größte Tunnelbohrmaschine der Welt zum Einsatz: „Trude“, die Abkürzung für „tief runter unter die Elbe“, bohrte sich mit einem Außendurchmesser von 14,20 Metern und einem Gewicht von 380 Tonnen etwa 28 Meter unter der Elbe entlang. Im Frühjahr 2000 erreichte sie den Zielschacht in Othmarschen – mit einer Abweichung von nur drei Zentimetern in der Höhe. Seit 2011 genießt das riesige Schneidrad seinen Ruhestand im Hof des Museums der Arbeit in Barmbek.
Der Alte Elbtunnel an den Landungsbrücken war 1911 für geringes und innerstädtisches Verkehrsaufkommen angelegt. Dem neuen Tunnel kam von Anfang an eine wichtige Rolle im Reise- und Güterverkehr der Nord-Süd-Route durch Europa zu. Er war bei seinem Bau der größte unter den sechsspurigen Tunnelbauten weltweit. Er ist ausgestattet mit hochentwickelter Verkehrslenkung, modernen Ab- und Zuluftsystemen sowie immer wieder aktualisierter Brandschutz- und Überwachungstechnik. Durch die Röhren fahren inzwischen täglich etwa 140.000 Fahrzeuge. Durchschnittlich vier Mal im Jahr kommt es zu einem Fahrzeugbrand. In der Tunnelbetriebszentrale wechseln sich rund um die Uhr Mitarbeiter von Technik, Polizei und Feuerwehr ab. Von drei Arbeitsplätzen aus werden die Röhren rund um die Uhr beobachtet. „Man merkt sofort, wenn was nicht stimmt“, sagt ein Mitarbeiter. „Bleibt ein Auto liegen, ist in vier, fünf Minuten ein Einsatzfahrzeug da. So schnell wird Ihr Auto nirgendwo in Hamburg abgeholt.“
Der Teil der A7, der durch Hamburg verläuft, ist einer der meistbefahrenen Autobahnabschnitte Deutschlands. Die Lärmbelastung in den angrenzenden Stadtteilen ist entsprechend hoch. Im Jahr 2025 werden schätzungsweise 165.000 Fahrzeuge pro Tag diesen Bereich passieren. Seit über 25 Jahren setzt sich die Initiative „Ohne Dach ist Krach“ für eine Abdeckelung im Bereich Bahrenfeld/Othmarschen ein. Ihrem unermüdlichem Engagement ist es vor allem zu verdanken, dass dieses Vorhaben nun umgesetzt wird: Nach den Abschnitten Schnelsen und Stellingen bekommt auch dieser Abschnitt einen Deckel. 2.300 Meter wird er lang sein und begrünt werden. Es soll allerdings eine Lücke von etwa 500 Metern nahe dem Röperhof bleiben: Zwischen der S-Bahn-Brücke Othmarschen und der Einfahrt in den Elbtunnel ist kein Deckel, sondern sind nur Lärmschutzwände vorgesehen. 2020 sollen die Arbeiten beginnen und nach sechs Jahren fertig sein.
„Wenn ich mal ein Haus besitzen sollte, dann möge es dieses hier sein, um es retten zu können“, dachte sich Christoph Mühlhans als Kind, wenn er mit dem Rad am verlassenen Röperhof vorbei fuhr. Damals befand sich die vierte Elbtunnelröhre gerade im Bau und das Gebäude verfiel. Heute gehört ihm zwar nicht der Hof, aber er ist Pächter des Anwesens. Auch hat Christoph Mühlhans ihn gerettet, denn der Hof wurde von ihm saniert. Als Architektur-Student schloss er 1983 mit der Familie Röper einen Vertrag, der ihm erlaubte, das Gebäude wieder in einen guten Zustand zu versetzen. Gemeinsam mit anderen Studierenden machte er sich an die Arbeit. Fachlich unterstützt wurde er dabei von Architekten, finanziell von der Kulturbehörde. Durch den gegründeten „Verein zur Erhaltung des Röperhofs“ konnten weitere Gelder beantragt werden. 1990 verlieh ihm die Patriotische Gesellschaft den „Preis für Denkmalpflege“. 2009 wurde das 250jährige Hof-Jubiläum gefeiert. Das Gebäude gehört der Röperhof Stiftung. In den Räumen befinden sich Ateliers, Büros und ein Restaurant mit einem Café-Garten.
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