Von Birgit Gewehr
Die evangelisch-lutherische Christuskirche wurde gestiftet vom Kaufmann und Bankier Conrad Hinrich von Donner, ansässig an der Elbchaussee. Entworfen wurde sie vom Architekten Albert Petersen im einfachen frühgotischen Stil. Die Grundsteinlegung fand 1898 statt. Der Kirchenbau nahm auf Wunsch des Stifters englische Vorbilder auf. Statt des damals üblichen roten Backsteins wurde heller Naturstein, Tuffstein aus der Eifel, verwendet. Die Kirche zeigt in ihrer Grundform ein griechisches Kreuz. Ursprünglich war sie in einer Nord-Süd-Achse ausgerichtet. 1968/1969 leitete der Architekt Jürgen Elingius den Umbau und die Neugestaltung der Kirche. Der Kirchenraum wurde mit einem neuen Eingang an der Westseite auf die West-Ost-Achse ausgerichtet.
Am Tag der Einweihung nahm der Stifter Conrad Hinrich von Donner vom Architekten Petersen den Schlüssel zum Eingangstor entgegen, um ihn an einen kirchlichen Würdenträger weiterzugeben. Von diesem Zeitpunkt an gab es eine eigene Kirche für Othmarschen, das zuvor zur Kichengemeinde Ottensen gehört hatte. Die Gläubigen waren durch den Kirchenweg, später Othmarscher Kirchenweg, zur dortigen Christianskirche gegangen. Der Zigarettenfabrikant Hermann Reemtsma stiftete 1936 eine Orgel, erbaut von Rudolf von Beckerath, einem der bedeutendsten deutschen Orgelbauer. Auch schenkte Reemtsma der Kirche vier Glocken und nach dem Krieg einen Bronze-Abguss der 1931 von Ernst Barlach geschaffenen Skulptur „Der lehrende Christus“.
Wenige Jahre nach der Kirchweihe ließ Richard Donner, Bruder des Kirchenstifters, ein Missionars-Kinderheim neben der Kirche erbauen. Die europäischen Kolonialmächte wollten in dieser Zeit nicht nur die von ihnen beherrschten Gebiete in Übersee ausbeuten, sondern ihnen auch ihre Kultur und ihre Religionen aufdrängen. Die Kirchen entsandten zu diesem Zweck Missionare, um die Menschen in den Kolonien zu christianisieren. Heute betont das Missionswerk, einen interreligiösen Dialog und weltweite Kirchenpartnerschaften „auf Augenhöhe“ zu führen. Die Kirche und das ehemalige Pastorat, heute vor allem als Gemeindebüro genutzt, sind inzwischen umrahmt vom Kindertagesheim der Ernst und Claere Jung Stiftung, dem Gemeindezentrum, der Tagesförderstätte für mehrfach behinderte Menschen und dem Zentrum für Mission und Ökumene.
Bei der Neugestaltung des Innenraums 1969 wurden der Altar, die Kanzel, die Taufe und das Gestühl ausgetauscht. Malereien aus den 1930er Jahren wurden überstrichen. Die Kirchenfenster gestaltete Hans Gottfried von Stockhausen neu. „Man wollte eine moderne, neue, klare Kirche von innen schaffen“, erklärte Pastor Gerlach 1999. Leider wurden bei dieser Umgestaltung weder das – aus heutiger Sicht - bedeutsame Eichenmobiliar noch der große Deckenleuchter gesichert und aufbewahrt. Den Altar schmückt heute ein schlichtes Kreuz aus Taizé, dem Ort einer internationalen Ordensgemeinschaft in Frankreich, bekannt durch weltweite ökumenische Jugendbegegnungen. Der Gründer und langjährige Prior Roger Schutz hatte während des Zweiten Weltkrieges in Taizé Kriegsflüchtlingen und Menschen jüdischer Herkunft Zuflucht gewährt.
Seit 1910 war Othmarschen eine eigenständige Gemeinde unter dem ersten Pastor Ernst Schröder. Er gehörte zu den Unterzeichnern des "Altonaer Bekenntnisses" vom 11. Januar 1933, das im Februar 1933 dem Gemeindeblatt beilag. 21 Altonaer Pastoren wandten sich gegen die Vereinnahmung der Kirche durch den Staat und gegen politischen Extremismus jeder Art. In diesem Dokument kirchlichen Widerstandes gegen das nationalsozialistische Regime wurde sogar ein Widerstandsrecht eingeräumt: „Wenn aber der Fall eintritt, dass die Obrigkeit selbst wider 'der Stadt Bestes' handelt, dann muss jeder entscheiden, wann der Augenblick gekommen ist, wo man Gott mehr gehorchen muss als dem Menschen“. Im Sommer 1933, nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, wurde Pastor Schröder gegen seinen Willen in den Ruhestand versetzt. Die Zeichnung zeigt ihn im Alter von 68 Jahren.
Friedrich Lensch wurde 1930 Direktor der damaligen Alsterdorfer Anstalten. Er war überzeugter Nationalsozialist und Mitglied der SA. Er ließ die jüdischen Insassen 1938 in staatliche Versorgungsheime abschieben. Die meisten von ihnen wurden später ermordet. Trotz seiner anfänglichen Bedenken hatte Friedrich Lensch mit den „Euthanasie“-Maßnahmen des Hitler-Regimes zu tun. Über 600 behinderte Menschen wurden unter seiner Mitwirkung in Tötungsanstalten deportiert, wo das Personal sie durch Medikamente ermordete oder verhungern ließ. Nach dem Krieg übernahm Friedrich Lensch die Pfarrstelle der Christuskirche. Erst 1967 leitete die Staatsanwaltschaft Hamburg nach der Anzeige eines ehemaligen Patienten Ermittlungen gegen Lensch wegen Beihilfe zum Mord ein. Doch da ihm kein Vorsatz nachgewiesen werden konnte, wurde das Verfahren nicht eröffnet. In den 1990er Jahren initiierte Pastor Helmut Reier in der Christuskirchengemeinde eine offene Aussprache über die NS-Zeit.
Mit den „Pfadfinderinnen trotz allem“ begann 1959 die Behindertenhilfe in der Christuskirche. Ihr Prinzip ist, die Menschen so anzunehmen, wie sie sind und sie dabei zu unterstützen, sich entfalten zu können. „Das Besondere bei den Fahrten ist das integrative Miteinander und das intensive Erleben von gemeinsamen Abenteuern in der Natur. Dabei können die behinderten Menschen erfahren, dass Grenzen überwinden Spaß bringen kann und zudem ihr Selbstwertgefühl gestärkt wird.
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Das Stadtteilarchiv Ottensen ist Forschungsstelle, Geschichtswerkstatt und Archiv zur Geschichte und Gegenwart von Altona und Ottensen in Hamburg.