Milchhalle am Strand von Oevelgönne, um 1925. Foto:
Sammlung Elke Seyfert.
Von Birgit Gewehr
1911 eröffnete Robert Hirte eine „Milchhalle“ am Elbstrand. Sie war beliebt bei Lotsen und Bootsfahrern, die nach Feierabend einkehrten. Eva Lührs übernahm sie nach dem Zweiten Weltkrieg und nannte sie um in „Lührs Raststätte“. 1974 gab sie die Lokalität an Elke und Bernt Seyfert weiter. Als die Sturmflut 1976 vom Gebäude fast nur noch Treibholz übrig gelassen hatte, kam mit dem Neuaufbau der Name auf, den dieser Ort bis heute trägt: die „Strandperle“. Bernt Seyfert sagte damals: „Das hier ist Knochenarbeit. Wir leben ganz direkt mit der Elbe, sie ist Freund und Feind zugleich.“ 2004 löste ein Frachter eine gigantische Welle aus und setzte die Gastwirtschaft unter Wasser. Seyferts und die Hamburger machten sie wieder fit – und zu einem Szenelokal. Seit 2007 wird es von zwei Oevelgönner Familien geführt.
Raststätte und Bootshaus Lührs, 1960er Jahre. Foto:
Sammlung Ernst Milde.
Neben der von Eva Lührs betriebenen Raststätte befand sich in einem ehemaligen Eiskeller, in dem ein Fischgroßhändler einst Störe lagerte, das Bootshaus der Brüder Herbert und Max Lührs. Schienen führten über den Strand hinunter zum Fluss. Lührs betrieben eine kleine Werft und einen Bootsverleih. Auf einem vorgelagerten Ponton in der Elbe vermieteten sie auch Liegeplätze. Der Ponton musste der Containerschifffahrt weichen und das Bootshaus schließen. Herbert Lührs gründete daraufhin 1972 die „Seekiste“ im nahgelegenen Haus Oevelgönne 61, ein Privatmuseum mit maritimen Kuriositäten.
Badeleben am Elbstrand, um 1900. Foto: Stadtteilarchiv Ottensen.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Oevelgönne zum Ferien- und Ausflugsziel für gutsituierte Familien aus Altona und Hamburg. Die Einwohner vermieteten Zimmer oder ihre Häuser an Urlauber und zogen selbst in eigens dafür errichtete Hinterhäuser. Im „Vorland“ zwischen Fußweg und Strand entstanden Gästehäuser. Das idyllische Oevelgönne an der Elbe war beliebt – bildeten doch die Lotsen, Fischer und Bootsbauer eine Gemeinschaft, zu deren Lebensstil ein sauber gepflegtes Haus mit Garten gehörte. Manche Gäste verbrachten den ganzen Sommer hier. „Man hatte – jahraus, jahrein – dasselbe Haus und brachte seine eigenen Mobilien mit aus der Stadt, die Kinder tummelten sich am Strand und gediehen ebenso gut als jetzt, wo jedes Jahr ein anderer, weit entfernter Landaufenthalt besucht werden muss,“ schrieb der Chronist Wilhelm Volckens 1895.
Elbstrand bei Flut, im Hintergrund die Elbbadeanstalt, um 1900. Foto: Stadtteilarchiv Ottensen.
An sommerlichen Wochenenden wurde Oevelgönne zum Naherholungsgebiet. Badeanstalten, Bootsverleiher und gastronomische Betriebe hatten sich angesiedelt. Die Damen konnten in Badekarren unter heruntergezogenen Markisen unbeobachtet ein Bad in der Elbe nehmen. Zudem gab es auch die Flussbadeanstalt Neumühlen. Sie bestand aus einem Kahn, durch den die Elbe strömte. In ihm konnten Damen und Herren bis 1909 getrennt und blickgeschützt baden. Zwar gab es bereits um die Jahrhundertwende hygienische Bedenken wegen der Flusswasserqualität, doch erst 1952 verbot die Hamburger Gesundheitsbehörde das Baden in der Elbe. Auch heute rät die Behörde für Umwelt und Energie aus Sicherheitsgründen und wegen der bakteriellen Verunreinigung ab. Verboten ist das Elbbad aber nicht.
Am Strand von Oevelgönne, 1920er Jahre. Foto:
Emil Puls, Altonaer Museum SHMH , Inv. Nr. 2-1189 A
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Seit der Jahrhundertwende zog es auch die Altonaer Arbeiterbevölkerung an den Elbstrand. In den 1920er Jahren der Weimarer Republik ging es offenbar vor allem am Abend freizügiger zu als in der Kaiserzeit.
„Die Zuchtlosigkeit des öffentlichen Lebens machte sich im Sommer wieder sehr stark am Strand in Oevelgönne bemerkbar, so dass es für anständige Menschen zum Teil fast unmöglich ist, sich dort aufzuhalten. Besonders in der Dunkelheit herrscht dort ein starkes unsittliches Treiben. Es ist ja schon früher vergeblich eine Eingabe des Kirchenvorstandes gemacht worden,“ ist dazu in der Kirchenchronik der Christuskirche Othmarschen 1928 vermerkt.
Gastwirtschaft „Zur Himmelsleiter“, um 1900. Foto:
Stadtteilarchiv Ottensen.
Oevelgönne war mit der höher gelegenen Elbchaussee auf zweierlei Wegen verbunden. Zum einen durch steile Treppen wie der „Himmelsleiter“. Zum anderen gab es Wege, auf denen die Othmarscher Bauern mit Pferdefuhrwerken oder Karren das auf dem Elbvorland und den Elbinseln geerntete Heu einbrachten. Am Elbufer, auf Höhe der „Himmelsleiter“, befanden sich früher auch zwei kleine Werften für Bootsreparaturen. Beim Aufstieg zur Elbchaussee lohnte ein Besuch im Biergarten „Zur Himmelsleiter“.
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