Von Birgit Gewehr
Das 1905 erbaute Betty-Stift war ein Wohnsitz für gebildete, alleinstehende und ältere Altonaerinnen. Die Architekten Ludwig Raabe und Otto Wöhlecke hatten auf dem Grundstück zwischen dem Philosophenweg und der Elbchaussee drei Häuser um einen Hof angeordnet und damit eine Verbindung von Landhaus und Gutshaus geschaffen. Hinter einem Torbogen lag ein Garten. Fachwerkfassaden, Renaissancegiebel und Ecktürmchen waren typisch für den Historismus als Architekturstil. Die Stiftung geht zurück auf den jüdischen Bankier und Politiker Pius Warburg, der das Haus nach seiner Mutter Betty Warburg benannte. Deren gleichnamige Enkelin musste 1940 in die Niederlande fliehen, wo sie später unter deutscher Besatzung interniert und ins Vernichtungslager Sobibor deportiert wurde.
Das Betty-Stift stellte alleinstehenden Damen im Villengebiet Othmarschen Freiwohnungen für einen ruhigen Lebensabend zur Verfügung. Die 21 Stiftswohnungen bestanden jeweils aus zwei Zimmern und Küche. Außerdem gab es eine Hausmeisterwohnung und Sitzungszimmer. Vom Garten des Stifts aus konnte man die „Rolandsmühle“ sehen. Sie war Anfang des 17. Jahrhunderts von Rutger Rulant auf einem Hügel erbaut worden. 1953 wurde sie abgerissen. Vom Architektenbüro Raabe und Wöhlecke stammen auch andere Stifte in Altona, zum Beispiel das Nyegaard-Stift in der heutigen Max-Brauer-Allee. Die Altonaer Wohnstifte waren beliebt. In den 1920er Jahren existierten lange Wartelisten. Noch heute dient das Betty-Stift seiner ursprünglichen Bestimmung.
Pius Warburgs Mutter, Betty Warburg, war 1862 im Alter von 80 Jahren gestorben. Ihre gleichnamige Enkelin Betty Warburg, geboren 1881 als Tochter des Bankiers Albert Warburg und seiner Frau Gerta, studierte Medizin und eröffnete 1920 in Hamburg eine Praxis. Ihr Verlobter starb im Ersten Weltkrieg. Nach Machtübernahme der Nationalsozialisten verlor Betty Warburg ihre Kassenzulassung. Sie wurde Opfer eines Überfalls, bei dem ihr Gesicht entstellt worden war. Danach verließ sie nur noch bei Dunkelheit das Haus. Zusammen mit ihrer verwitweten Mutter emigrierte sie 1940 in die Niederlande. Doch unter deutscher Besatzung wurden beide 1943 interniert, ins Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet.
Der Philosophenweg wurde als eine der Villenstraßen Othmarschens angelegt. Da sich die Anwohnenden der Elbchaussee gegen eine Straßenbahn in ihrer Straße wehrten, wurde die Trasse 1908 parallel durch den Philosophenweg und die Moltkestraße, die heutige Bernadottestraße, geführt. Auch dort wurde protestiert, allerdings vergeblich. Die Linie 4 der „Elektrischen“, wie die Straßenbahn genannt wurde, endete jedoch wieder an der Elbchaussee, beim Gesellschaftshaus Groth.
Gegenüber dem Betty-Stift liegt das umgebaute ehemalige Landhaus der Familie Gebaur. Bauherr war der Commerz-Intendant und Altonaer Bankier Anton Friedrich Gebaur. 1806 ließ er den ursprünglich zweigeschossigen runden Putzbau mit reetgedecktem Kegeldach nach Plänen des dänischen Architekten Christian Frederik Hansen errichten. 1833 erwarb dessen Neffe Johann Matthias Hansen das Haus. Um 1871 wurde der Bau durch Aufstockung, Anbauten und ein Flachdach stark verändert. Seit 1952 steht der „Hansenturm“, wie er genannt wird, unter Denkmalschutz. In den 1990er Jahren wurde der neue Eigentümer, der Architekt Konstantin Kleffel, zur denkmalgerechten Sanierung verpflichtet. Allerdings gab es Kritik: Durch den Verkauf habe die Stadt Hamburg die Chance vertan, das Landhaus im Originalzustand mit Reetdach als einzigartiges Erbe des großen Baumeisters Hansen wiederherzustellen.
Das Familienwohnhaus des Altonaer Konditors und Dampfmarzipanfabrikanten Louis Carl Oetker im Philosophenweg 33 wurde 1907 nach einem Entwurf des Architekten F. Christens erbaut. Es zeigt den Einfluss des Jugendstils und der Reformarchitektur und zeugt vom Lebensstil des Großbürgertums in der Kaiserzeit. 1994 wurde das Haus unter Denkmalschutz gestellt.
Der Architekt und Stadtplaner Gustav Oelsner erbaute 1927 die zweieinhalbgeschossigen Reihenhäuser im sachlich geprägten Stil des Neuen Bauens. Typisch sind die kubischen Formen und die unterschiedlichen Klinker. Ausgelegt waren die Häuser für die mittlere Einkommensklasse und boten für ihre Zeit eine hohe Wohnqualität. Zu jedem Haus gehört ein Grundstück von 300 Quadratmetern, zum öffentlichen Weg liegt ein schmaler Vorgarten. Gustav Oelsner, der seit 1924 Bausenator von Altona war, wollte unter der Devise „Licht, Luft und Sonne“ die Wohnbedingungen in der Stadt verbessern. Doch mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 verlor er sein Amt. Verfolgt wegen seiner jüdischen Herkunft emigrierte er 1939 in die Türkei.
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