Von Dr. Anke Rees
Die Eingänge zum Park sind zu unterschiedlichen Zeiten entstanden. Den Zugang an der Holztwiete ließ Martin Johann Jenisch 1828 anlegen, um aus der Stadt kommend eine attraktive Zufahrt zu seiner Villa zu haben. Hier stand damals das schmiedeeiserne Tor, das 1957 an den Eingang an der Baron-Voght-Straße versetzt wurde. Dort befand sich nur ein einfacher Durchlass, den Caspar Voght 1789 bei den Instenhäusern, seinem Landhaus gegenüber, eingerichtet hatte. Das neobarocke Tor an der Elbchaussee wurde 1906 für den Besuch Kaiser Wilhelms II gebaut, weshalb es „Kaisertor“ heißt. Früher war der Park nicht jedem zugänglich. Wer keine „Einlass-Karte“ besaß, musste die Gärtner fragen oder Eintritt bezahlen. Zur Zeit Jenischs kontrollierten Pförtnerinnen. Das Pförtnerhäuschen an der Holztwiete gibt es seit 1833.
Der Jenischpark ist nur ein Teil des ursprünglichen „Musterguts“ von Baron Voght, nämlich der vormalige Süderpark. Auf dem nach ästhetischen Gesichtspunkten gestalteten Parkgelände gab es zudem Ackerflächen, Kornfelder und Rinderweiden. Außerdem waren für Landschaftsgärten jener Zeit typische Parkarchitekturen integriert, die mit ihren Inschriften auf die römische Antike anspielten. Dazu gehörte auch die „Mooshütte“, die schon auf einer Zeichnung von 1794 abgebildet ist. Sie war aus Baumstämmen gezimmert, mit Moos verkleidet und ursprünglich mit Stroh gedeckt. Sie hatte ovale Fenster und einen ovalen Tisch im Inneren, was ihr den Namen „Eierhütte“ einbrachte. Das Giebelfeld zierte die Widmung „Amicis et Quieti“, der Freundschaft und der Muße. Hier sollten sich die Parkgäste „dem Gefühl und der Empfindsamkeit“ hingeben, wie es damals hieß. Zeitgemäß würde man sagen: die Landschaft, die sich vor ihnen auftat, mit allen Sinnen bewusst genießen und die Gedanken schweifen lassen. Die heutige Mooshütte ist ein Nachbau von 1995.
Der Jenischpark grenzte auf östlicher Seite, nur getrennt durch die Holztwiete, an den kleinen Landschaftspark der Villa Kretkamp , 1929 erwarb der Zigarettenfabrikant Philipp Fürchtegott Reemtsma (1893-1959) das Gelände sowie weitere Grundstücke. Er schrieb einen Wettbewerb aus, an dem sich auch der belgische Architekt Henry van de Velde (1863-1957) beteiligte. Reemtsma beauftragte jedoch Martin Elsaesser aus Frankfurt (1894-1957), ihm eine repräsentative Privatvilla im Stil des „Neuen Bauens“ zu entwerfen. Dem Hamburger Landschaftsgärtner Leberecht Migge (1881-1935) übertrug er die Planung der Gartenanlagen im Sinne der Lebensreformbewegung. Von 1930 bis 1932 entstand auf 64.000 Quadratmetern ein luxuriöses Gesamtkunstwerk: eine Villa mit Pförtnerhaus, Reitgarten, Hausstadion, Tennisplatz, Nutz- und Ziergarten mit Gewächshäusern, Park, Schwimmteich mit Badehaus, Wasserrutsche und Strand. 1952 wurden auf dem Areal drei Verwaltungsbauten durch den Architekten Godber Nissen (1906-1997) errichtet und ein Teil des Grundstücks als öffentlicher Park freigegeben. 2003 kaufte die Familie Herz das Ensemble. Inzwischen sind alle Gebäude mit Wohnungen aus- sowie fünf neue Wohngebäude hinzugebaut worden.
Philipp Fürchtegott Reemtsma (1893-1959) war Generaldirektor der „Reemtsma Cigarettenfabriken“, einem Konzern mit zahlreichen Niederlassungen und rund 16.000 Mitarbeitern. Aufgrund steuerlicher Vorteile war der Firmensitz 1923 von Erfurt nach Altona-Bahrenfeld verlegt worden. Trotz der Anti-Tabak-Kampagnen war die Zeit des Nationalsozialismus die Hochzeit der Firma, weil sie sich erfolgreich an die politischen Verhältnisse anpasste: Reemtsma schaltete Anzeigen in den Parteiorganen und gab propagandistische Sammelbildserien mit Alben für die NSDAP heraus. Zudem „spendete“ er unter anderem an Hermann Göring Summen in Millionenhöhe. Dafür wurde er 1958 vor dem Landgericht Hamburg verurteilt, in Revison in zweiter Instanz jedoch wieder freigesprochen. Der Beweislage nach kann davon ausgegangen werden, dass die Zahlungen auf Görings Druck hin getätigt worden waren. 1952 erreichte die Zigarettenfirma wieder einen Marktanteil von 35 Prozent. Firmenerbe Jan Philipp Reemtsma trennte sich 1980 von allen Unternehmensanteilen.
Die Villa Reemtsma entstand in größtmöglicher Diskretion und wurde unter der Bezeichnung „Haus K. in O.“ geplant. „K“ stand für den Flurnamen „Kretkamp“ (heute Kreetkamp) und „O“ für Othmarschen. „Haus“ hingegen war eine Untertreibung: Es hatte zusätzlich zur Wohnfläche eine Nutzfläche von 1.700 Quadratmetern und eine 170 Quadratmeter große Schwimmhalle. Mit Baukosten in Höhe von 4,2 Millionen Reichsmark galt es als eines der teuersten privaten Gebäude Europas. Die luxuriöse Villa ist eine zwei- bis dreigeschossige Stahlbetonkonstruktion im Bauhaus-Stil, die mit großen grünlich-grauen Keramikplatten verkleidet war. Die asymmetrische Konstruktion verfolgte ein klares, lichtes und großzügiges Raumprinzip mit runden Formen. Die gesamte verglaste Gartenfront konnte, angetrieben von 66 Motoren, vollständig im Boden versenkt werden.
Herzstück war die Wohnhalle, die durch ein Fensterband im Obergeschoss beleuchtet wurde. Von hier gelangte man ins Esszimmer, dessen Decke mit Blattgold belegt war. Daneben lagen das Herrenzimmer, die Bibliothek und das Bridgezimmer. Über einen Flur waren der Turnsaal, die Schwimmhalle und das Gartenzimmer erreichbar. In einem weiteren Trakt gab es Hauswirtschaftsräume, Kinderspielzimmer und einen Spielhof. Die große Treppe führte zum Damen-Wohnzimmer, den privaten Schlaf- und Ankleideräumen, den Bädern und Gästezimmern. Die Räume waren unter anderem mit Stahlrohrfreischwingern von Mies van der Rohe und Möbeln der Vereinigten Werkstätten ausgestattet. Nach 1936 wurde das Haus nach Vorgaben der Nationalsozialisten neoklassizistisch umgestaltet: Messinggefasste Glastüren wurden gegen massive Holztüren getauscht, verchromte Heizkörper hinter schmiedeeisernen Gittern versteckt und die geschwungene Treppe durch eine gerade ersetzt. 1952 erfolgten noch einmal Umbauten durch den Architekten Godber Nissen. 2007 bis 2008 wurde das denkmalgeschützte Gebäude saniert und umgebaut. Heute befinden sich in ihm vier Loftwohnungen.
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